Nr. 2

Zum Fünfzigsten ein Zombie

Bunkerbrief Nr. 32/9.12.2010

Seit heute bin ich 50. FÜNFZIG! Und wenn ich lange genug in den Spiegel schaue, kriege ich Angst – denn da glotzt mich ein langsam verrottender Zombie an! Dagegen sind Splatterfilme langweilig. All die vergammelnden, lebendigen Filmleichen in ihrem demonstrativen Verfall sind harmlos angesichts des echten Horrors. Sie stinken ja nicht mal - zumindest nicht auf meiner Mattscheibe und auch nicht im Kino!

Es gibt 100%igen Schrecken frei Haus, ohne Kino oder DVD. Peilst du aber erst, wenn Du ein paar Jahre auf dem Buckel hast.

Es fängt harmlos an mit Haarausfall und kleineren Zipperlein. Hier und dort ein Hexenschuß, die Verdauung bringt verwirrende, manchmal blutige Ergebnisse hervor, die Schleimbeutel rebellieren, Gelenke schmerzen ohne jeden Anlaß. Und so weiter und so fort.

Man denkt sich ja nicht wirklich was. Krebs haben immer nur die anderen. Nicht mit mir! Obwohl in letzter Zeit eine ganze Menge alter Freunde und Bekannte über den Jordan gegangen sind. Hätte nicht gedacht, daß sich so früh die Reihen lichten. Was soll’s, das Leben geht weiter, wie bisher. Sieht du sicher auch so, oder?

Bis du eines Tages beim Blick in den Spiegel einen Schweißausbruch kriegst. Wer ist das, der dich da anglotzt? Das bist doch nicht du, sondern ein alter Sack! Von wegen: »Man ist so alt wie man sich fühlt«! Fühl' doch mal genau hin!

Oh ja, wir wissen alle, daß jeder von uns altert und stirbt. Pah. Alles Klugscheißerkram, vergiß' es! Nicht die Vorstellung, alt und krank zu werden, ist das Problem. Das kann man verdrängen oder in schlaue Worte packen. Der echte Horror ist, alt und kaputt zu sein.

Wenn du das nächste Mal in der S-Bahn sitzt, dann siehst du vielleicht diese ältere Frau. Grell geschminkt, Furchen im Gesicht, schütteres Haar, die Augen wäßrig. Was denkst Du, was beim Blick in den Spiegel empfindet?

Es ist diese Hilflosigkeit, die erschütternd ist. All die Millionen und Milliarden Zerstörten und vom Leben Gezeichneten, die sich nicht mehr wiedererkennen. Gefangen in einem dahinsiechenden Körper. Wenn sie die Augen schließen, sehen sie sich in voller Blüte, mit der Kraft, Energie und Attraktivität, die man mit 25 hat. Jeder auf seine Weise. Man muß dazu keine Sportskanone und auch kein Model gewesen sein.

Und nun? Alles vorbei! Du erkennst, daß du einer langsam einer von DENEN wirst! Den lebenden Leichen. Zu denen auch ich und du in absehbarer Zeit gehören werden.

Aber warum flüstert diese Stimme, beim »nächsten Mal« würde dir das nicht passieren? Diese irre Überzeugung irgendwo im Unterbewußtsein, daß alles nur ein Spiel ist, bei dem man eben eine Runde verkackt hat. Frei nach dem Motto: Neues Spiel, neues Glück!

Aber die Möglichkeit, die Brocken zu schmeißen und den Reset-Knopf zu drücken, besteht nicht. Was kaputt ist, bleibt kaputt. Du kannst nicht kapitulieren und als knackiger Frischling erneut Dein Glück versuchen.

Auch der Gedanke, was man hätte anders machen können, hilft nicht. Zuletzt winkt die Erkenntnis, daß man selbst im besten aller Fälle exakt so alt wie jetzt wäre und sich vor dem unbekannten Wrack im Spiegel erschrecken würde. Egal, wie du dein Leben auf Vordermann bringst, am Ende mußt du irgendeine Rechnung bezahlen. Und sie wird dir nicht schmecken.

Nein, ich spreche nicht vom Tod, der ist das geringste Problem. Frei nach Peter Hein: »Ich fürchte nicht den Tod - Ich hab' nur Angst vor dem Schmerz!«

Nicht der Tod, sondern der Verfall bei vollem Bewußtsein ist das Problem. Schließlich ist so ein Mensch mit ein bißchen Zuarbeit locker kaputtzukriegen. Und wenn wir das nicht mit Alkohol & Drogen, überharter Arbeit und falscher Ernährung erledigen, dann übernimmt der Körper diesen Job zuletzt selbst und läßt uns selbst bei fehlerfreiem Verhalten zielsicher zugrundegehen.

Bringt also nix, sich täglich abzustrampeln, einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden. Besser ist, die kostenlos von der Straße weg frei Haus gelieferten Zombie-Filme in all ihren Facetten zu genießen. Und wie in jedem guten Gruselfilm kann man auch kämpfen.

Damit wir uns richtig verstehen: Natürlich spreche ich immer noch über mich! Wobei ich weiß, daß ich nicht wie ein Wrack aussehe oder sonstwie am Ende bin. Da sind andere schlimmer dran. Oder tot. Aber am Horizont, da kann ich mittlerweile den Abgrund erkennen.

Als ich merkte, daß Freddie Krueger bereits tief in mir sitzt, zeigt ich ihm kühn den Stinkefinger. Nahm kurzerhand ein Dutzend Kilos ab, um zu allem entschlossen in einer Band die Sau rauszulassen. KEIN HASS DA ist ne Klasse Therapie.

Meine immer steifer werdende Schulter und diese mysteriösen Schmerzen und Schwellungen am Bein haben außerdem dazu geführt, daß ich meinen schlaffen Körper mehr bewege. Ich und Sport - unfaßbar! Und wenn die Zahnlücken größer werden, dann muß eben Kohle für Implantate her! So ändern sich die Prioritäten.

Denn kapitulieren is' ja nich', wie gesagt, auch wenn es diese Momente gibt, wo man verzweifelt den Aus-Knopf sucht.

Ich bin 50 und habe kapiert, daß es nicht nur die anderen sind, bei denen es abwärts geht. Ich weiß, daß ich jetzt an der Reihe bin. Kann’s immer noch nicht glauben.

Wie gesagt, ein paar Sachen muß ich ändern, damit der Film spannend bleibt. Unendliches Durchackern, bis zum Umfallen, ohne Schlaf und Pause, das geht nicht mehr. Und die Kohle, die ich in irgendwelchen Jobs verdiene, bei lustigen Projekten zu verbrennen, damit ist auch Schluss. Jaja… spare in der Zeit, dann hast Du in der Not, der Volksmund weiß Bescheid! Heißt: Ich muß aufpassen, daß ich im Alter nicht aus der Mülltonne fresse! Die Zeit wird ja langsam knapper. Welchen Gründe kann es geben, dabei Kompromisse einzugehen? Lieber Knöpfchen drücken und schauen was passiert!

Es wird also weitergehen. Mit viel Freude langsam abwärts. Schätze ich mal. Zumindest, solange mich keine derbe Krankheit oder ein blutiger Unfall aus den Schuhen hebelt. Die Einschlagsdichte wird sich erhöhen, die Fürze übelriechender, die Glieder schwerer, die Fresse häßlicher, die Pfleger rücksichtsloser. Auch ohne todkrank zu sein, werde ich aus nächster Nähe miterleben, wie ich mehr und mehr verfalle. Bis es irgendwannschwarz wird. Das, was jeder von uns erlebt, ausnahmslos.

Es mag ein Horror sein, aber es ist mein Horror. Soll keiner sagen, daß ich das nicht zu würdigen weiß!

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